Hofmannsthal gehört zu den Vordenkern eines zukünftigen Europa. Das gilt auch dann, wenn Paul Michael Lützeler in seiner Monographie „Die Schriftsteller und Europa. Von der Romantik bis zur Gegenwart“ (München: Beck 1992) ihm diesen Platz nicht gibt, , was daran liegen mag, dass ihm Hofmannsthals geistiger Ort und sein Denken, das vom Umfeld der österreichisch-ungarischen Monarchie bestimmt ist, weniger typisch erscheinen als die von ihm beschriebene napoleonische Tradition der Europa-Idee und ihre Gegner. Sein Leben und Schreiben bestimmt sich um 1900 von einer europäisch orientierten Internationalität, die aus dem ästhetischen Genuß der Fülle der europäischen Vorweltkriegswelt hervorgeht. Das ändert sich im Klima der Jahre vor dem Weltkrieg unter dem Einfluss Nietzsches, der in weiten Bereichen Europas zunehmend fühlbarer wird. Während des Krieges verteidigt der Österreicher die Position seines Landes, beschreibt aber immer wieder ein Europa, das durch seine als Einheit zu verstehende Vielfalt überzeugen müsse. Er betont in der Kriegssituation die Idee der Vereinigten Staaten von Europa wie Victor Hugo, den er gründlich studiert und kommentiert hat, schon 1849. Hofmannsthal geht in subtilen Untersuchungen den ideologischen Zusammenhängen nach und kommt zu dem Ergebnis, dass mangelnde liberale Gestaltung eines Gegengewichts durch die Idee einer allgemein-europäischen Kultur des in den Gegensätzen angelegten kriegerischen Chaos Herr werden könne. -In der Nachkriegszeit beruft er sich dafür auf den Optimismus Goethes gegen den unter Intellektuellen stark in den Vordergrund rückenden harten Realismus und christlichen Pessimismus Fedor Dostojewskijs. Hugo von Hofmannsthals Antwort sind dann die Festspiele europäischer Kunst in Salzburg, in denen der Klassizismus Mozarts wie der von Hofmannsthal gestaltete Rückblick auf die Frühformen des europäischen Theaters die finsteren Zeiten des hitlerschen Herrschaft und ihres Krieges überlebt. Das Europa Hofmannsthals gewinnt in der zweiten Nachkriegszeit auch eine ökonomische Stärke, aus der Festspiele getragen werden können. Überwunden wird in ihnen jedenfalls eine bloß materielle Welt, was den Autor Hofmannsthal zu einem wichtigen geistigen Anziehungs- und Orientierungspunkt für Leser und Hörer wie für seine Interpreten nach 1945 machte. In der deutschen Bundesrepublik wird seine Lyrik und sein Theater wie seine Essayistik in der politischen wie der poetischen Diskussion wichtig. Der Essayist muss in seinen poetischen Werken als einer der besonders wichtigen Klassiker des sich bildenden modernen Europa erfasst werden.