Abstract
The Kingdom of Hungary and the Grand Duchy of Transylvania were integrated into the Holy Roman Empire during the 18th century and accordingly, this shaped its institutional system. There were many obstacles to the creation of the “Empire-conform” library system. After 150 years of Ottoman rule, the country had to be rebuilt physically. It also had to build new Church and state centers, while the wars against the Turks continued, until the end of the 18th century. Public life was burdened by the anti-Protestantism of the Habsburg emperors, since, at the end of the 17th century, two-thirds of the country's population were Protestants. By the end of the 18th century this proportion had dropped to one-third. (At the same time, the Protestant institutional system was also dismantled.) In other words, the library system was built twice in a century and a half and demolished again to create a new system. In summary, however, it can be concluded that a library system conforming to that of the Habsburg Empire was established in the Kingdom of Hungary and Transylvania during the century following the end of the Ottoman rule.
Wie kann ein Reich charakterisiert werden? Die einfachste und zugleich banale Antwort lautet: auf vielerlei Art. Näher betrachtet – auch weil ein solches Herangehen vom Charakter eines Reiches vieles kundgibt – können wir wesentlichere Aussagen erst machen, wenn wir die Sichtweisen miteinander vergleichen. In der Geschichte, wie auch im Leben der einzelnen Menschen, ist es nun einmal so, dass es diverse „Wahrheiten“ gibt. Freilich sollte man diese Relativierung nicht ins Extrem übertreiben, es bedarf hier schon der Grenzen. Nicht jedermanns „Wahrheit“ ist auch tatsächlich wahr. Eines scheint aber auch für unsere Betrachtung sicher zu sein: Dass man jedes Phänomen aus der Perspektive des Zentrums des jeweiligen Reiches und auch aus der Perspektive der einzelnen Völker, der einzelnen kulturellen Gruppen des Reiches untersuchen muss. Wenn wir uns darüber im Klaren sind, dass Anfang des 21. Jahrhunderts ein in Brüssel lebender Pole, ein Schwede, Holländer und Ungar kein Emigrant ist, sondern eine im Zentrum eines Reiches – also dort zuhause seiende – Person, dann ist dieser Aspekt auch historisch relevant.
Es stellt sich die Frage, wann etwa sich die in Reichszentren lebenden Vertreter einzelner Volksgruppen – Politiker, Kaufleute, Intellektuelle – von ihrer ursprünglichen Gemeinschaft – sofern überhaupt – losgelöst haben. Wenn wir das nicht einzeln, je nach einem spezifischen Individuum, untersuchen, dann lässt sich behaupten, dass sie sich über sehr lange Zeit nicht losgelöst haben. Sie waren gleichsam Garanten dafür, dass der Wille des Reichszentrums – seine Interessen – auch in entlegeneren Gebieten der Interessensphäre geltend gemacht wurde. Die Rede ist von der unmittelbaren Geltendmachung wirtschaftlicher und politischer Interessen. Es geht aber auch um die Interessenswahrnehmung des zentralen Narrativs, der Aktualität oder, wenn auch hintangestellt, der Wirkung einzelner geistiger Strömungen. Auch das Zentrum war den Einflüssen dort lebender kleinerer Volksgruppen ausgesetzt, wenngleich nicht jeder dieser Einflüsse gleichermaßen zur Geltung kam. Die Institutionensysteme diverser Reiche wurden stets so strukturiert, dass die Interessensdurchsetzung aus dem Zentrum heraus hin zur Peripherie wirken sollte, die Gegenwirkung funktionierte indes nie mit gleicher Kraft. Heutzutage – zurückzuführen auf den Entwicklungsstand der Kommunikationstechnologien – kommen diese Einflüsse viel schneller und stärker zur Geltung. Deshalb sind heute Konflikte zwischen Zentrum und Peripherie auch viel schärfer und können als permanent bezeichnet werden. Ein gutes Beispiel dafür ist der gemeinsame Markt, die Europäische Union. Die Untersuchung historischer Beispiele, also die Geschichte des Verlagswesens, der Bibliotheken, der Lektüren und des Lesens, vermag nicht nur historische Wahrheiten aufzuzeigen, sondern auch unmittelbar praktikable Kenntnisse zu vermitteln, die einem helfen, sich in der Wirrnis aktueller Nachrichten zurechtzufinden.
Das Gefüge des Reiches – von dessen Qualität auch seine Nachhaltigkeit abhängt – wird nicht bloß durch Fäden wirtschaftlicher und politischer Interessen zu einem Geflecht. Das Institutionensystem, das vom Reichszentrum aus errichtet wird,1 um seine Einflusssphäre bis an seine Grenzen auszubauen, ist eine der Grundlagen dieses Gebildes. Aufschlussreich ist auch, wo und welche Institutionen nicht mehr vom Zentrum getragen werden (zum Beispiel eine Nationalbibliothek u. Ä. m.). Die lokale Interessenvertretung nimmt freilich diese Verpflichtung wahr – den Gepflogenheiten der Zentrale folgend und unter Anwendung der zentralen Mittel, um so über lokalen Einfluss verfügen zu können und diesen zu sichern. Das ist auch der Grund, warum Reiche zerfallen. Der Prozess des Zerfalls geht schneller voran, wenn die Festigung der kulturellen Fäden des Geflechts vernachlässigt wird und der sprachliche Faden dieses Reichsganzen, die lingua franca, nicht passt. Zum Beispiel, wenn die Kenntnis dieser Sprache absolutisiert wird und die Möglichkeit negiert, dass die Kulturen, die das Reich konstituieren, eine Wechselwirkung entfalten. Es gab immer schon dominante Sprachen in einem kulturellen Gefüge. Die Frage ist nur, wann und inwieweit sie ausreichen, das Gefüge eines Reiches zu stärken. Die Vielfalt von Sprache und Gebräuchen lag im Interesse der lokalen Führungsfiguren diverser Volksgruppen, die vom Zentrum entfernt lebten.
Neben der Sprache ist – was die Kohäsion eines Reiches betrifft – der Aufbau einer gemeinsamen Kultur vielleicht noch wichtiger, die Rolle der Bibliotheken mit eingerechnet. Hätte eine Gesellschaft nur Wirtschaftsinteressen vor Augen, wäre es nicht möglich, eine Gemeinschaft mit einer verbindenden Kultur aufzubauen. Die gemeinsamen Prinzipien einer funktionierenden Wirtschaft können natürlich Teil der gemeinsamen Kultur werden, doch sie sind nicht Teil der kulturellen Basis. Man sollte auch nicht vergessen, dass während der im vorliegenden Beitrag untersuchten Periode jener Kompromiss in der Teilung der weltlichen und geistlichen Macht noch Gültigkeit hatte, der mit der Krönung Karls des Großen durch den Papst zustande kam (Papst Leo III., 25. Dezember 800). Die endgültige Trennung dieser Machtsphären – als Folge der französischen Revolution – nahm ihren Anfang symbolisch ab 1806. (Franz I. deklariert zu diesem Zeitpunkt das Ende des Heiligen Römischen Reiches und erklärt, von da an „nur noch“ Herrscher des Kaisertums Österreichs zu sein.) Deshalb ist in der von uns untersuchten Periode ein Großteil der Bibliotheken auf die eine oder andere Weise in kirchlicher Hand. Teile der Gesellschaft lehnten das Recht und die Möglichkeiten einer Institution – hier: der Kirche – ab, die Gedanken der Menschen zu kontrollieren und darüber zu verfügen, worüber man in welcher Weise sprechen dürfe. Sie hätten sich wohl nicht vorstellen können, dass zweihundert Jahre später eine andere, wirtschaftlich dominierte Institution, die damals – um 1804 herum – als „demokratisch und unabhängig“ erträumte Presse, also die öffentlichen Medien, über viel umfangreichere Möglichkeiten verfügen und diese nützen würden, als ihre inquisitorischen Vorgänger.
Bei der Untersuchung der Buch-, Bibliotheks-, Lektüren- und Lesegeschichte des Königreichs Ungarn und des Großfürstentums Siebenbürgen im letzten Jahrhundert des Kampfes gegen das Osmanische Reich – von der Befreiung Wiens bis zu den Napoleonischen Kriegen – muss der Grundaspekt die Tatsache sein, dass wir über ein Land sprechen, das de facto drei Ländern – staatsrechtlich zwei, in seiner wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Realität aber drei – entspricht. Am Ende des ersten Drittels des 16. Jahrhunderts mussten das legislative sowie das Verwaltungszentrum, das zugleich als Zentrum der Geistlichkeit operierte, von den Orten wegziehen, an denen sie während eines Zeitraums von sechshundert Jahren errichtet worden war (Buda/Ofen und Esztergom/Gran). Sodann vergingen nach der Befreiung dieser Orte von der osmanischen Herrschaft anderthalb Jahrhunderte, bis ihre einstigen Residenzen neu besetzt werden konnten.2 Den Wiederaufbau und die wirtschaftliche, soziale und kulturelle Neuorganisierung der beiden Länder Königreich Ungarn und Siebenbürgen – die durch einen Konsens der Großmächte per Dekret dem Reich zugesprochen wurden (Frieden von Utrecht, 1713) – gedachte das Reichszentrum anders zu verwirklichen als die Vertreter der örtlichen Macht.
Entlang der Kompromisse zwischen den Divergenzen der jeweiligen Absichten und der finanziellen Möglichkeiten ging auch der Ausbau der Bücherinfrastruktur der zwei Länder vor sich: Der Aufbau des Buchverlagswesens und des Buchhandelssystems, mitsamt den Kontrollmechanismen, die von der Zentralmacht sowohl politisch als auch geistlich installiert wurden. In diesem Kraftfeld entstand ein eigentümliches Bibliothekssystem, das versuchte, dem Muster anderer Länder des Reiches zu folgen. Währenddessen ging auch innerhalb dieser Länder entlang der unterschiedlichen wirtschaftlichen, kirchlichen und kulturellen, zusätzlich auch durch die ethnische Vielfalt bedingten Interessen ein Wandlungsprozess im Geist und Denken vor sich – dies als Reaktion auf direkte deutsche und italienische sowie indirekte französische Einflüsse. Andere kulturelle Einflüsse tauchten nur sporadisch auf. So können wir um diese Zeit etwa noch nicht von einem maßgeblichen englischen Einfluss sprechen.
Im Zuge der Institutionalisierung eines neuen, dem Standard des 18. Jahrhunderts entsprechenden, nunmehr reichskonformen Bibliothekssystems tauchten zahlreiche Hindernisse auf.
Ich habe bereits darauf hingewiesen, dass nach dem 150 Jahre andauernden notgedrungenen Zusammenleben mit der osmanisch-muslimischen Macht ein ausgeplünderter Landesteil zurückblieb, in dem auch viele Gebäude neu errichtet werden mussten – von Bauernhütten bis zu den Kathedralen.
Die gegen die Osmanen geführten Kriege zogen sich bis zum Ende des 17. Jahrhunderts hin. In Siebenbürgen gab es zudem auch noch bis in die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts Tatareneinbrüche. Ein Reich zu errichten – das wussten die Ratgeber der Habsburger – ließ sich nur auf einer gemeinsamen geistlichen Grundlage verwirklichen. In den von den Türken nicht eroberten Regionen des Königreichs Ungarn begann der Abbau des im 16.–17. Jahrhundert etablierten protestantischen Institutionensystems bereits Anfang des 17. Jahrhunderts. Er nahm indes an Dynamik erst zu, als schon abzusehen war, dass die Osmanen aus dem Land vertrieben werden könnten. Die rückeroberten Gebiete lockten die Abkömmlinge vieler Familien aus dem Reich in der Hoffnung auf wirtschaftliche Verbesserung und ein Vermögenswachstum an. Ab den 1670er Jahren nahm die katholische Expansion immer aggressivere Formen an. Sie wurde nach den beiden gegen die Habsburger-Herrschaft gerichteten Aufständen – dem Thököly- bzw. dem Rákóczi-Aufstand – auch noch im 18. Jahrhundert fortgesetzt und kulminierte im Ausruf: vitam et sanguinem (1741). Die Einschränkung des Bewegungsraumes der bereits funktionierenden protestantischen Schulen, die Zurückstufung vieler dieser Lehranstalten vom Rang eines Kollegs auf das Niveau einer Elementarschule, die Verhinderung der Heranbildung protestantischer Intellektueller durch Entziehung von Reiseerlaubnissen – neben vielen anderen restriktiven Maßnahmen – drosselte ein Erstarken des protestantischen Institutionensystems.
Das Institutionensystem des Königreichs Ungarn erlebte mehrere Metamorphosen in der Zeit zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert. Das bis zu der Regierungszeit der Hunyadis Gestalt annehmende, mit den abendländisch-christlichen Ländern identische Institutionensystem ging durch die osmanische Herrschaft in Brüche. In den von den Osmanen nicht besetzten Gebieten wurde ein protestantisch geprägtes Netzwerk ausgebaut, das Institutionen der Kirche, des Schul- und Bildungswesens, der Bücherkultur und somit auch die Bibliotheken umfasste. Der fünfzehnjährige Krieg (1592–1606) machte das gesamte Gebiet des Königreichs Ungarn und auch Siebenbürgens zum Kriegsschauplatz und zerstörte das im Laufe des 16. Jahrhunderts wiederaufgebaute Land erneut. Zur selben Zeit begann das Wiedererstarken der sich seit dem Tridentinischen Konzil neu formierenden katholischen Kirche, das auch die Stärkung von katholischen Institutionen mit sich brachte. Der katholische Klerus konnte immer mit der Unterstützung des Reichszentrums rechnen, doch geriet diese Unterstützung im letzten Drittel des 17. Jahrhunderts zum offenen, gewaltsamen Auftreten gegen die Protestanten. Um diese Zeit wurden die protestantischen Gemeinden eines Großteils ihrer Intelligenzschicht beraubt. Ihre Institutionen, somit auch ihre Bibliotheken wurden vielerorts aufgelöst. (So wurde etwa die Bibliothek des Reformierten Kollegs von Sárospatak dem Jesuitenorden überantwortet.) Die Konfiszierung von Bibliotheken erreichte in manchen Städten auch bürgerliche Privatbibliotheken (siehe das Beispiel von Eperjes/Preschau, heute Prešov, Slowakei). Dieser permanente bibliothekarische Auf- und Abbau war für die Schaffung eines kontinuierlich wachsenden und sich entwickelnden neuen Bibliothekssystems nicht gerade günstig.
Im Folgenden werde ich zur allgemeinen Charakterisierung des Ausbaus des Bibliothekssystems3 in diesem Kraftfeld versuchen, einige als typisch erachtete Beispiele aufzuzeigen. Ich betone, dass meine Herangehensweise ausdrücklich bibliotheksgeschichtlicher Art ist, das heißt, ich achte in erster Linie auf die Entstehung – genauer auf die Möglichkeiten für das Entstehen – von Bibliotheken, und nicht auf Veränderungen in der thematischen Zusammensetzung der Sammlungen.
Beginnen wir mit den einfachen Volksschichten der Gesellschaft. Von „Bauernbibliotheken“ können wir bis zum Ende des 19. Jahrhunderts noch nicht sprechen. Dies gilt, auch wenn die Quellenlage Gegenteiliges vermuten ließe. Als wir die bäuerlichen Testamente eines Komitats (Komitat Baranya, bis 1850) im Rahmen einer experimentellen Forschung durchsahen, fanden wir in drei Fällen ein „Evangelien-Buch“ und einen Jahresweiser. Von Bibliotheken der in der Landwirtschaft arbeitenden Dorfbewohner können wir nicht einmal bei den Siebenbürger Sachsen sprechen, obwohl die Verwaltung dieser Volksgemeinschaft auch den Besitz von Büchern aufmerksamer verfolgte als zum Beispiel jene der von Ungarn, Slowaken oder anderen Nationalitäten bewohnten Dörfer. Bei den in den Dörfern lebenden, höhergestellten Personen, die auch eine intellektuelle Tätigkeit ausübten – Verwaltungsbeamte, Gutsverwalter, Notare, Lehrer (und natürlich Vertreter des Klerus, auf die wir später noch zu sprechen kommen) –, sind schon ab dem Ende des 18. Jahrhunderts kleinere, 5 bis 10 Bände enthaltende Sammlungen anzutreffen, jedoch nicht davor. Gleichwohl begegnen wir weder im Königreich Ungarn noch in Siebenbürgen einer am Lande lebenden Person, deren Bibliothek vor der Mitte des 19. Jahrhunderts mehr als 30 Bände aufweisen würde. Zu diesem Zeitpunkt leben die aus einem Dorf stammenden Intellektuellen bereits in nahe liegenden Kleinstädten und erledigen ihre Geschäfte, indem sie dazu auf ihr Land hinausfahren. Der Wirkungsradius des kleinstädtischen Kulturbetriebes hatte sich zu dieser Zeit schon eindeutig vergrößert.
Die Bibliotheken des städtischen Bürgertums ließen sich viel besser nachweisen, sie sind ja auch tatsächlich dokumentiert. Generell kann man sagen, dass von den Quellen her gesehen die administrative Disziplin der königlichen Freistädte beziehungsweise der autonomen städtischen (und ethnisch-nationalen) Gemeinden – wie etwa jene der Siebenbürger Sachsen – viel größer ist, als die der mehrheitlich von Ungarn und Slowaken bewohnten Marktflecken. Ein bedeutender Teil der Quellen wurde jedoch bei der Archivneuordnung Mitte des 18. Jahrhunderts – wegen obsolet gewordener Nützlichkeit bzw. Beweiskraft – ausrangiert. In der zweiten Hälfte des 18. bzw. Anfang des 19. Jahrhunderts besaß das Buch als „Mobiliar“ – gemessen an den übrigen Mobilien – einen geringeren materiellen Wert, deshalb fehlt eine detaillierte Auflistung öfters und nur der Gesamtwert der Bücher findet sich erwähnt. Wenn es etwa um ein Nachlassverzeichnis geht, findet sich nur sein auf den oder die jeweiligen Erben entfallender Wertanteil vermerkt. Die Bevölkerungsschicht der Handwerker besaß allenfalls Bücher für die tägliche Religionspraxis, einen Jahresweiser, ein in kleineren Gesundheitsfragen Rat gebendes „Arzneibuch“ (Artzneybuch), seltener kleinere, populärliterarische Werke und nur fallweise – dies allerdings im Zeitverlauf zunehmend – auch Fachbücher.
Die städtische Intelligenz – studierte Juristen, Ärzte, Apotheker, Lehrer, Kirchenleute, später auch Dichter, Redakteure, Schauspieler – hatte jedoch größeres Gewicht beim Sammeln von Büchern und in Bibliotheksangelegenheiten, als es das Niveau des eigenen Bildungsstandes annehmen lassen würde. Diese Intellektuellen riefen gemeinsam mit den in der Stadt wohnenden, ein Amt ausübenden Adeligen oder mit der Unterstützung von Prälaten sogenannte „Gelehrtengesellschaften“ ins Leben und gründeten Bibliotheken zur gemeinsamen Nutzung. Wenn wir in historischen Zusammenhängen denken, können diese Gesellschaften auch als Vorstufen zur Gründung der Ungarischen Akademie der Wissenschaften gesehen werden. Auf all diese Sozietäten und Gemeinschaften geht die Pflege der Bibliotheken zurück.4 Das intellektuelle Niveau der Gelehrtenzirkel war dabei wohl unterschiedlich. Bezeichnend für alle ist jedoch, dass sie auf die uneingeschränkte Freiheit von wissenschaftlichem Denken und Erkenntnis bauten. So dürfen wir behaupten, dass diese Zirkel zum Teil auch Vorreiter der Verbreitung der Ideen der französischen Revolution waren.5
Die Ende des 18. Jahrhunderts in Erscheinung tretenden, oft mit einer Buchbinderwerkstatt oder Buchhandlung am selben Ort agierenden Leserkreise schufen in manchen Städten – von Sopron/Ödenburg bis Brassó/Kronstadt – einen neuen Typus von Bibliothek.6 Wir haben jedoch aus der Zeit vor der als Reformzeitalter bezeichneten Epoche (vor 1825) nur von wenigen solchen Bibliotheken Kenntnis. Die Bibliotheken von Leserkreisen entstanden bezeichnenderweise erst nach 1830, ein Großteil von ihnen überhaupt erst nach dem österreichisch-ungarischen Ausgleich (1867).
Die Privatbibliotheken der städtischen Intelligenz zeigen ein sehr unterschiedliches Bild. In der hier untersuchten Periode erschien aus diesen Kreisen kein einziger Katalog einer Privatbibliothek im Druck. Es sind jedoch zahlreiche – an die 500 – Kataloge bekannt,7 die in den vergangenen 70 Jahren auf Basis von Archivquellen veröffentlicht wurden. Darunter finden sich Beispiele für von kleineren, nur ein paar Bände zählenden Sammlungen über aus mehreren Tausend Bänden bestehende Bibliotheken bis hin zu einen universellen Wissensradius widerspiegelnden Fachbibliotheken.8 Bibliotheken sind auch noch gegen Ende des 18. Jahrhunderts nur selten reine Fachbibliotheken. Der allgemeine Mangel an Büchern und das Fehlen eines organisierten Buchhandels machten es nicht einmal vermögenden Lesern möglich, während ihres Berufslebens die Fachliteratur ihres eigenen Wirkungsbereichs laufend verfolgen und sie womöglich auch erwerben zu können. Ein wichtiges Phänomen ist es auch, dass sogar die modernsten unter diesen Bibliotheken – als typisches Schicksal solcher Sammlungen – nach dem Ableben ihrer Besitzer irgendwelchen Schulbibliotheken einverleibt wurden, um dort nur eine Generation später bloß noch der Archaisierung des Wissens zu dienen. Denn Schulen waren ja nicht in der Lage, ihren Bücherbestand durch eigene Neuerwerbungen zu modernisieren oder auch nur auf halbwegs aktuellem Stand halten zu können. Trotzdem spielten im Königreich Ungarn und in Siebenbürgen institutionelle – hauptsächlich schulische – Bibliotheken bei der Förderung und Wahrung der Lesekultur eine gewichtigere Rolle als allgemein in der westlichen Hälfte Europas, weil es für das Anlegen guter privater Fachbibliotheken weniger günstige Bedingungen in den beiden Ländern gab.9
Im Bibliothekswesen der höheren Schulen können wir erhebliche Veränderungen feststellen – dies umso mehr, als das Akademie- und auch das Hochschulsystem ab dem ersten Drittel des 18. Jahrhunderts im Königreich Ungarn und in Siebenbürgen tatsächlich zu funktionieren begann. Die Hochschulbibliotheken hatten einen sehr bedeutenden Bildungsauftrag: Um zu erreichen, dass die städtischen und dörflichen Pfarreien, Parochien und Grundschulen gegen Ende des 19. Jahrhunderts über eigenständige Büchersammlungen verfügen könnten, musste das Ausbildungssystem für Priester und Geistliche modernisiert und weiterentwickelt werden. Die katholischen Pfarreien waren dabei sicherlich im Vorteil, da ihre Diözesansynoden laufend verordneten, dass ein Priester seine eigenen Bücher jeweils der Pfarrei seiner letzten Dienststelle zu vermachen hatte. Somit war für diesen Typus von Bibliotheken ihr dynamischer Zuwachs schon institutionell gesichert. Tatsächlich bestätigt uns dies der Vergleich der Kirchenbesuchsprotokolle (Visitationsakten) vom Ende des 17. Jahrhunderts bis zum 19. Jahrhundert. Von den wenigen durch das Tridentinische Konzil vorgeschriebenen Bänden beziehungsweise den in der Manuale parochorum aufgezählten Büchern gelangen wir zu den bis zu 50–100 Bücher zählenden Kleinsammlungen.
Bis zu Beginn des 18. Jahrhunderts erhielt der intellektuelle Nachwuchs des Königreichs Ungarn und Siebenbürgens durch das System peregrinatio academica eine gesicherte Basis.10 Seine Rolle wurde auch im 18. Jahrhundert nicht geringer, da der Lehrbetrieb für protestantische Universitäten untersagt war. (Vermutlich hätte man dies auch finanziell nicht bewerkstelligen können, auch fehlte es an Humankapital.) Wien, Bologna und Rom waren in der Ausbildung von katholischen Priestern weiterhin wichtige ergänzende Optionen im Rahmen des dynamisch organisierten Systems der im Ausbau befindlichen Priesterseminare im Königreich Ungarn und in Siebenbürgen. Beinahe in allen Diözesen waren solche Seminare aktiv und obwohl während der Regierungszeit Josephs II. ihr Wirken für kurze Zeit durch Errichtung von sogenannten Zentralseminaren (in Pest und Preßburg) eingeschränkt wurde, hatte das Zentralseminar ab Anfang des 19. Jahrhunderts trotzdem eine komplementäre Funktion. Die Rolle dieser Ausbildungsstätten wurde bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts auch deshalb wichtiger, weil unter den Gönnern des ungarischsprachigen literarischen Lebens auch hohe geistliche Würdenträger und auch Vertreter des mittleren Klerus zu finden waren (z. B. die Chorherren). Wenn wir den Lesestoff der Seminarbibliotheken mit den Lektüren des Klerus in einzelnen Diözesen vergleichen, so sehen wir, dass die Modernisierung in erster Linie an den Bildungsstätten vor sich ging: Dort findet sich mehr an modernen Theologiebüchern und auch umfangreicheres Büchermaterial in Vernakularsprache (hauptsächlich Ungarisch).
Bei den Lektüren der Dorfpfarrer dominierte bis zum Ende des ersten Drittels des 19. Jahrhunderts die im 17. Jahrhundert festgelegte lateinischsprachige und von den Jesuiten geprägte Theologie. Es ist wichtig hervorzuheben, dass die sprachliche Zusammensetzung der Bibliotheken der ab Mitte des 18. Jahrhunderts gegründeten bzw. weiter ausgebauten griechisch-katholischen Seminare (Balázsfalva/Blasendorf, heute Blaj, Rumänien; Máriapócs, Ungarn; Ungvár, heute Uzhorod, Ukraine) vom Lesestoff in den ähnlich strukturierten römisch-katholischen Institutionen abweicht – und das nicht nur in Bezug auf die liturgische Literatur.
An der Spitze der Bibliotheken höherer Lehranstalten stand ohne Zweifel die Bibliothek der Universität Tyrnau. In ihrer Geschichte gibt es keine Brüche und nach 1635 sind auch keine größeren Brandkatastrophen verzeichnet, die zur Vernichtung von Büchern geführt hätten. Nach ihrer Übersiedlung nach Buda (1771), später nach Pest (1784) durfte sie in bevorzugter Weise Werke ihrer Wahl aus den Bibliotheken der aufgelassenen Ordenshäuser der Jesuiten bzw. infolge der Klosterauflösung durch Joseph II. auch aus den Bibliotheken anderer Orden übernehmen. So kam es dazu, dass sie bereits im 18. Jahrhundert mehrere öffentliche Buchauktionen aus ihren Bestandsduplikaten veranstaltete,11 und dass die Universitätsbibliothek der Eötvös Loránd Tudományegyetem (ELTE) bis heute über die größte Altbüchersammlung des Landes verfügt. Aus dieser Universität schieden die einzelnen Fakultäten bzw. Kollegien aus, um verschiedene Universitäten im zur Hauptstadt erhobenen Pest und Buda zu errichten (Schola Medicinalis, 1776; Institutum Geometricum, 1782; Institutum Veterinarium, 1787), die später jeweils ihre eigenen Bibliotheken gründeten.
Die am meisten in Richtung einer Modernisierung wirkenden Elemente im Bibliothekssystem sind die Sammlungen der mit Agrarwesen und Technik befassten Institutionen. Diese moderne wissenschaftliche Ausrichtung nennt Gyula Kornis in seinem grundlegenden, summarisch kulturhistorischen Werk „Neuhumanismus“.12 Behandelt werden darin die neben den Humaniora immer umfangreicher werdenden technischen und naturwissenschaftlichen Kenntnisse. Beim Ausbau des Fachbibliothekssystems kam diesen Schultypen eine eminent wichtige Rolle zu. Der im Jahr 1735 gegründeten Montan-Universität von Selmecbánya/Schemnitz (heute Banská Štiavnica, Slowakei) wurde 1770 der Rang einer Akademie zugesprochen.13 1807 wurde dort eine Fachausbildung für Forstingenieure eingerichtet, die 1918 nach Ödenburg übersiedelte.14 Die Fachbibliotheken erwarben hauptsächlich zeitgenössische deutschsprachige Fachliteratur, ohne aber mit der Tradition zu brechen, das lateinischsprachige Umfeld im Auge zu behalten, wie auch die Bedürfnisse von Schülern und Lehrern zu respektieren, die Publikationen in französischer Sprache Beachtung schenken wollten. Das belegt auch der Katalog Collegium Oeconomicum aus dem Jahr 1766 über den Bestand der 1763 gegründeten Bibliothek der Szencer Piaristen (Szenc/Wartberg, heute Senec, Slowakei) als Beispiel.15 Der Katalog listet für diese kleine, aber zeitgemäß sortierte Bibliothek 288 Werke in 765 Bänden. Die Bibliothek des Georgicons von Keszthely (1797) konnte bei ihrer Sammlung bereits auf der Privatsammlung ihres Patrons Georg Festetics aufbauen. Sie entwickelte sich von einer anfänglich universalen Ausrichtung allmählich zur Fachbibliothek.16 In der Geschichte des sich neu gestaltenden Fachbibliothekssystems darf die Gründung der Bibliothek der Ungarischen Gelehrtengesellschaft im Jahr 1826 als ein wichtiger Wendepunkt angesehen werden.17
Die Geschicke von institutionellen und privaten Bibliotheken waren in mehreren Fällen dadurch miteinander verflochten, dass in der sich neu entwickelnden kirchlichen Hierarchie oft aus dem Hochadel stammende Personen hohe kirchliche Ämter bekleideten und ihre eigenen Bibliotheken als Basis für erzbischöfliche und bischöfliche Sammlungen heranzogen.18 Tat es der eine in der Absicht, dass die Sammlung später Grundlage einer Hochschulbibliothek werden könnte (Károly Eszterházy),19 setzte es sich der andere zum Ziel, ein intellektuelles Umfeld für die priesterliche Nachwuchserziehung in der katholischen Kirche zu schaffen. Zugleich legte Zweiterer besonderen Wert darauf, alle mit Ungarn, mit dem Königreich Ungarn und mit Siebenbürgen zusammenhängenden Dokumente systematisch zu sammeln (Ignaz Batthyány).20 Die letztgenannte Bestrebung trägt schon den Gedanken einer nationalen Bibliothek in sich.
Auf den Traditionen des 16.–17. Jahrhunderts aufbauen konnten unter den institutionellen Bibliotheken am ehesten jene von Kollegien und Gymnasien. Ihre Geschichte ist freilich mit der dynamischen Situation der einzelnen christlichen Glaubensgemeinschaften verknüpft.21 Hier einige Beispiele: Von den Kollegien des Siebenbürger reformierten Kirchendistrikts entwickelten sich bis Mitte des 18. Jahrhunderts jene von Kolozsvár/Klausenburg, Nagyenyed/Straßburg am Mieresch und Marosvásárhely/Neumarkt22 zu den wichtigsten Bibliotheken, die ihre Bestände auch weiterhin vergrößerten. Die Kollegien von Székelyudvarhely/Oderhellen und Szászváros/Broos23 konnten erst im Laufe des 19. Jahrhunderts dank reformierter adeliger und großbürgerlicher Familien an diese anschließen. Auf dem Gebiet des Partiums sanken die großen Kollegien des reformierten Kirchendistrikts jenseits der Theiß, Szatmár/Sathmar und Nagybánya/Frauenbach,24 aufgrund fehlenden Nachwuchses an Lehrern – und zusätzlich auch wegen Finanzmiseren – auf das Niveau von Grundschulen. Ihre Bibliotheken wurden mehr und mehr ausgedünnt, sie waren de facto von ihrer Auflösung bedroht. Auch Zilah/Zillenmarkt25 konnte erst zwischen 1741 und 1815 dank Zsuzsanna Rhédei, der Gemahlin von Ferenc Wesselényi d. J., wiedererstarken. Ab 1821 wurde das Kolleg dem Siebenbürger Kirchendistrikt angegliedert und konnte auch durch lokale Förderungen einen weiteren Zuwachs verzeichnen.
Die Träger der katholischen Mittelschulen waren die Jesuiten oder Piaristen. Auch andere Ordensgemeinschaften betrieben Schulen, etwa die Franziskaner und Benediktiner, die sogar die theologische Ausbildung anboten, wobei die Benediktiner eher das Ziel der Ausbildung des Nachwuchses für ihren Orden im Auge hatten. Die Geschichte der katholischen Schulbibliotheken fiel aber auf die Zeit nach der Restitution der Orden und somit ist das bereits eine Thematik des 19. Jahrhunderts.
Die Bibliotheken der Ordenshäuser selbst erfuhren nach der Vertreibung der Osmanen eine kontinuierliche Bereicherung ihrer Bestände infolge der Neuorganisierung der Ordensprovinzen. Was ihre inhaltliche Zusammensetzung betraf, trat erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ein bedeutender Wandel und somit eine Modernisierung ein. Einer der Gründe für diese Verspätung ist, dass die europäischen Ordensbrüder Anfang des 18. Jahrhunderts ihre in einem lateinischsprachigen Umfeld tätigen Brüder mit Büchern unterstützten. Sie hatten die von ihnen nicht mehr benutzten, oft auch gar nicht mehr verstandenen, in einem veralteten Latein geschriebenen Bücher den neu organisierten Ordenshäusern im Königreich Ungarn und in Siebenbürgen übergeben. Damit trugen sie in nicht geringem Maße zur Archaisierung des kulturellen und wissenschaftlichen Horizontes der dort Lebenden bei.
Das System der weltlichen Privatbibliotheken erfuhr auch einen beträchtlichen Wandel in den adeligen Schichten der Gesellschaft.26 Die finanziellen Möglichkeiten aristokratischer Familien und auch deren Eheschließungen mit österreichischen, italienischen und deutschen Familien beförderten die Büchersammlung in andere Dimensionen. Der Umfang der Bibliotheken wuchs zusehends, ihre sprachliche Zusammensetzung – samt ihrem weiterhin relativ bedeutenden lateinischen Anteil – machte eine große Veränderung durch. Deutsche und französische Publikationen gelangten in großer Zahl ins Land. Für aristokratische Frauen entstanden eigene Bibliotheken, die größtenteils Werke in ungarischer Sprache enthielten. Die Familien des mittleren Adels konnten indes ihre geerbten kleineren Bibliotheken nur langsam vergrößern. Auch beschränkten sich ihre Sprachkenntnisse meist auf ihre Muttersprache und Latein.
Als im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts sowohl der Bedarf an vernakularer Literatur anstieg, als auch immer häufiger ungarischsprachige Verlagswerke erschienen, nahm der Gedanke der Errichtung einer Nationalbibliothek zunehmend Gestalt an. Trotz der Tatsache, dass die in Wien lebenden oder dort oft verkehrenden Aristokraten sehr wohl wussten, dass das Königreich Ungarn und Siebenbürgen zugleich auch Bestandteil der natio Austriaca waren, wurde die Gründung einer Bibliotheca Nationalis Hungarica zu einem Ziel, das es zu verwirklichen galt.27
Zur Vorgeschichte der Gründung der „nationalen Bibliothek“ gehört die Geschichte der sogenannten „Bibliotheken für die gemeinsame Nutzung“ im Königreich Ungarn und in Siebenbürgen. Diese reicht von den „Bibliotheken für die gemeinsame Nutzung“ durch die Humanisten und die protestantischen Städte bis zur öffentlichen Nutzung der großen kirchlichen Privatsammlungen des 18. Jahrhunderts. Ein Beispiel dafür ist die Bibliothek von György Klimó, dem Bischof von Pécs/Fünfkirchen.28
In Siebenbürgen legten die einzelnen kulturellen Gemeinschaften (Ungarn, Deutsche, Rumänen), deren ethnisches Bewusstsein allmählich erstarkte, ihre eigenen zentralen Sammlungen zur Bewahrung ihrer verschriftlichten Denkmäler an. Diese Entwicklung führt auch klar zur konfessionellen Abgrenzung der Landesbevölkerung. Es wurde bereits erwähnt, dass der Bischof Ignaz Batthyány 1798 seine Sammlungen der „katholischen Gemeinschaft Siebenbürgens“, das heißt den ungarischen Katholiken, vermachte.29 Seinem Beispiel folgten der kalvinistische Kanzler Samuel Teleki im Jahr 1802 (Marosvásárhely, Teleki Téka)30 und schließlich auch der lutheranische Kanzler Samuel Brukenthal in Nagyszeben/Hermannstadt (heute Sibiu, Rumänien) im Jahr 1803.31 Die griechisch-katholischen (unierten) Rumänen wiederum errichteten ein Zentrum in Balázsfalva: ein Priesterseminar mit Bibliothek.32 Die rumänische Ethnie wird jedoch erst nach der Organisation des jenseits der Karpaten entstandenen Königreichs Rumänien jene Bibliothek ins Leben rufen, die als die siebenbürgisch-rumänische Bibliothek konzipiert ist, und zwar im Rahmen des „Astra Vereins“, in Hermannstadt.33
Im Königreich Ungarn erbat und erhielt Ferenc Széchényi die Erlaubnis zur Errichtung einer Bibliotheca Regnicolaris im Jahr 1802.34 Széchényi orientierte sich dabei am Wiener Beispiel, indem er beabsichtigte, das schriftliche Erbe jeder Kulturgemeinschaft des Königreichs in der Bibliothek zu vereinen. Das Augenmerk der von ihm geschaffenen Institution richtete sich im Jahrhundert nach der Gründung dennoch in erster Linie auf ungarische Publikationen. Es ist festzuhalten, dass diese Bibliothek vor allem von den Ungarn als die ihre betrachtet wurde. So zeigen sich in den in slowakischer, serbischer, rumänischer usw. und vor allem in kroatischer Sprache verfassten Werken der Sammlung eine Menge an Desiderata. Ähnliches gilt für die Schriftdenkmäler der Siebenbürger Sachsen.
Zusammenfassend ist festzustellen, dass nach dem Ende der osmanischen Herrschaft, im Laufe eines langen Jahrhunderts im Königreich Ungarn und in Siebenbürgen ein mit dem Habsburgerreich konformes Bibliothekssystem entstand. Offen bleibt die Frage, inwieweit die inhaltliche und sprachliche Zusammensetzung der Bibliotheken sich von anderen Sammlungen in diversen Regionen des Reiches unterschied.
Danksagung
Die Forschung wurde durch das Projekt NKFIH-OTKA 132770 finanziert.
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Das Zentrum baut ein Institutionssystem für die Führungsschicht im gesamten Reich auf. Jüngst siehe dazu: Kökényesi (2022).
Der Erzbischof und das Kapitel von Esztergom zogen erst um 1820 von Nagyszombat/Tirnau (Trnava, Slowakei) bzw. Pozsony/Preßburg (Bratislava) nach Gran zurück, das Parlament um 1825 von Preßburg nach Pest. Eleonóra Géra hat dazu einen passenden Titel für ihr Buch gefunden: Kőhalomból (fő)város – Aus Ruinen zur (Haupt)stadt; siehe Géra (2014).
Ein gutes Beispiel dafür ist die Bibliothek von mit Rousseau in Beziehung stehenden Ignác Sauttersheim (1738–1767) und der von ihm begründete Gelehrtenkreis in Preßburg. Siehe Dóbék (2020).
In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurde eine Reihe von Leihbibliotheken und Lesekreisen (Lectur-Cabineth) gegründet. 1772 wurden die Leihbibliothek von Anton Martin in Pozsony und 1788 ein „Lectur-Cabinet“ von Anton Kleinod in Ödenburg/Sopron eröffnet. Über die Lesestoffe dieser Sammlungen siehe: Csörsz et al. (2017). Die im Druck erschienenen Originalkataloge sind die Folgenden: Verzeichniss der Bücher, welche in dem Gleixner Johann Lesekabinet zum Lesen ausgegeben werden, Pest, Lettner, 1787; Verzeichniss der Bücher, welche in dem Lesekabinet des Johann Gleixner bey der goldenen Sonne, der Stadt-Pfarrkirche […] gegen die gewöhnliche Bezahlung täglich eines Kreuzers für ein Buch […] zum Lesen ausgegeben werden, Pest, Johann Michael Landerer, 1787; Verzeichniss der Bücher, welche in dem Lesekabinet des Johann Gleixner in der Leopoldgasse […] gegen die gewöhnliche Bezahlung täglich eines Kreutzers vor ein Buch vor ein Monat zum Lesen ausgegeben werden, Pest, Johann Michael Landerer, 1787; Gebundene Bücher, welche zu Pest im Gleixner Johann Lese-Kabinet zu haben sind, Pest, ca. 1789; Verzeichniss der Bücher, welche in dem Lesekabinet des Mathias Pfundtner, bürgerlichen Buchbinders in Oedenburg […] zum Lesen herausgegeben worden, Sopron (?), 1794; Bestand und Gesetze des Lese-Kabinets in Cronstadt, Kronstadt, 1789; Archiv der Honterusgemeinde (Schwarze Kirche), IV. Archiv der Gemeinde, Handschriften, Nr. 35. Kolligat, Band IV. fol. 189r–190r. Über dieses letzte „Lese-Kabinet“ siehe: Polonyi (1970), 98–100.
Siehe die Bände der Buchreihe Könyvtártörténeti füzetek, Könyvjegyzékek bibliográfiája (Hefte zur Bibliotheksgeschichte. Bibliographie der Buchverzeichnisse und Buchinventare), Bände I–XV, Szeged–Budapest, 1981–2022, hrsg. von István Monok.
Nur ein Beispiel: Gáborjáni Szabó (2014).
Vgl. Monok (2008).
Vgl. Szögi (1994); Font und Szögi (2001). Eine neue Monographie: Szögi (2022).
Die veröffentlichten Kataloge (in Beispielen): Catalogus librorum qui in Bibliotheca Universitatis Pestiensis publicae auctioni exponentur, 4. Junii et sequentibus diebus 1787, Pestini, Typis Landerer, 1787; Catalogus librorum in Bibliotheca Universitatis Pestiensis vendendorum 2. Junii et sequentibus diebus Anni 1788, Pestini, Typis Trattner, 1788 (1789, 1790 etc.).
Vgl. Molnár (2019).
Zusammenfassend: Csapodi, Tóth und Vértesy (1987).
Die drei Städte heute: Cluj Napoca, Aiud, Târgu Mureș (Rumänien).
Die beiden Städte heute: Odorheiu Secuiesc, Orăștie (Rumänien).
Die beiden Städte heute: Satu Mare, Baia Mare (Rumänien).
Heute: Zalău (Rumänien).
Zu den wichtigsten Änderungen siehe: Monok (2018a), 95–135.
Monok (2003); Monok (2005a); Monok (2018a), 137–214; Monok (2019).
Monok (2018a), 75–85; Monok (2018b).